Osterspecial – Von Volksfest zu Tumult in weniger als 24 Stunden

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Gestern schien in Jerusalem noch alles in Ordnung, aber heute im Laufe des Tages hat sich einiges zugetragen:

Ich hatte es ja geahnt. Wenn religiöser Eifer auf so viele Menschen trifft, kann nur Unruhe und Aufstand dabei herauskommen. Momentan hat sich die Lage in der Stadt zwar wieder etwas beruhigt, aber zwischendurch sah es auch mal ganz anders aus. Aber der Reihe nach:
Ich hatte ja schon berichtet, dass die Ältesten der Juden hier Differenzen mit einem Wanderprediger aus Nazareth hatten. Differenzen ist vielleicht etwas untertrieben, denn gestern Abend noch haben sie ihn einfach festgenommen und die ganze Nacht verhört. Und heute Morgen standen sie vor unserer Tür und lieferten ihn aus.
Ihr Anliegen war relativ offensichtlich, sie wollten ihn beseitigen und brauchten dazu die Hilfe von Pilatus. Um aus den wilden Anschuldigungen der Hohen Priester schlau zu werden und etwas Klarheit in die Angelegenheit zu bringen, fand zuerst ein Verhör statt. Es war eine seltsame Situation: Auf der einen Seite die Priester, die ununterbrochen die verschiedensten Anklagen vorbrachten, auf der anderen dieser Wanderprediger, Jesus, der kein einziges Wort sagte. Nur die Frage, ob er der König der Juden sei, bejahte er. Die ganze Sache mutete immer mehr an wie eine Intrige, um diesen Jesus aus dem Weg zu schaffen. So ähnlich sah das vermutlich auch Pilatus, auf dessen Stirn sich deutliche Falten abzeichneten.
Er war in einem Dilemma. Der Angeklagte war offensichtlich unschuldig, aber es sah nicht so aus, als ob die Religionsführer von ihm ablassen würden. Geschickt versuchte Pilatus eine Tradition auszunutzen, um aus dieser misslichen Lage zu kommen: Zum Fest war es üblich, dass er dem Volk einen Gefangenen freigab. Er stellte also Jesus zur Wahl und hoffte so an den erbitterten Hohen Priestern vorbeizukommen. Ein guter Plan. Doch er hatte sich verschätzt, denn die sie hatten das Volk aufgewiegelt. Es war befremdlich. Die versammelten Menschen schrien und verlangten nicht etwa die Freigabe dieses friedlichen Wanderpredigers, sondern die eines berüchtigten Gefangenen. Jesus aber sollte getötet werden. Die Rufe nach der Kreuzigung gingen durch Mark und Bein. Nun war die Situation wirklich kritisch, ein Unschuldiger auf der Anklagebank und draußen das aufgebrachte Volk, das ihn tot sehen wollte. Was sollte Pilatus beschließen?
Er tat das einzig Logische: Jesus zur Kreuzigung übergeben. Lieber diesen einen Menschen umgebracht und Ruhe in die Sache gebracht, als Unruhe und Chaos in der Stadt zu riskieren. Wer weiß wie viele dabei umkommen könnten?
Was mich aber dann wirklich verwundert hat, waren die Skrupel des Pilatus, ihn zu verurteilen. Meine Erfahrungen mit der Justiz haben mir gezeigt, dass die Wahrheit nicht bei allen Verfahren die oberste Priorität genießt. Er wäre nicht der einzige zu Unrecht Verurteilte gewesen. Warum also nicht einfach diesen Prediger opfern, um die Dinge wieder zurecht zu rücken?
Pilatus ließ sich jedenfalls Wasser bringen, wusch seine Hände und beteuerte seine Unschuld. So etwas habe ich noch nie gesehen.
Verurteilt hat er ihn dann trotzdem.
Es folgte das übliche Kreuzigungsspektakel. Die Soldaten der Truppe machen sich immer ihren Spaß daraus. Ihm wurde eine Krone aus Dornen aufgesetzt und sie haben „König der Juden“ mit ihm gespielt. Danach wurde der Verurteilte unter Schlägen und Spott erst aus dem Prätorium und dann aus der Stadt getrieben. Soll der Tumult doch dort weitergehen und sich hoffentlich verlaufen.
Hier ist wieder Ruhe eingekehrt. Gespenstische Ruhe.

Fortsetzung folgt…

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