Thema des Monats: die Kraft des Gebets

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Es gibt so ein paar Sachen, die einfach zum Christsein dazu gehören wie die Luft zum Atmen: Gemeinschaft mit anderen Christen, Bibel lesen und natürlich das Gebet.
Schließlich "kommunizieren" wir Christen auf diese Weise mit Gott.
Und so unterschiedlich wir Menschen sind, so unterschiedlich kann auch Gebet sein.
Manch einer schreibt ein Gebetstagebuch, ein anderer betet mit Liedern und wieder ein anderer geht raus in die Natur. Manche beten laut, manche leise, manche beten lieber alleine und andere wiederum lieben mit anderen zusammen.

Gebet ist aber nicht unbedingt eine Art Therapieersatz, um sich seine Sorgen von der Seele zu reden. Wer betet, erwartet meistens auch etwas.
Dass Gebet Berge versetzen kann, erleben Christen auch heute noch.


Ein paar Gedanken dazu hat sich auch Martin Dreyer gemacht.
Geboren wurde Martin 1965 in Hamburg, er ist verheiratet und hat 2 Kinder. Bekannt ist er durch seine unkonventionelle Art über Glaubensdinge zu sprechen.
Er ist Gründer der Jesus Freaks, Prediger und Autor. Neben der Volxbibel hat er auch Bücher wie "Jesus rockt" und "Martin Reloaded - Luthers Schriften für alle" oder das Andachtsbuch "God around the clock".


Eigentlich wollte ich einen gut fundierten, theologische klugen Aufsatz über das Thema Gebet verfassen. Angereichert mit Bibelstellen und ausreichend recherchierter Theologie. Aber ich habe mich dazu entschieden genau das Gegenteil zu tun. Ich möchte von meiner ganz eigenen, persönlichen, subjektiven Erfahrung mit dem Thema Gebet berichten. Falls es so etwas wie „Geistliche Gene“ gibt, müsste ich eine Menge „Gebets-DNA“ mitbekommen haben. Meine vor vier Jahren verstorbene Mutter war eine hingebungsvolle, treue Beterin. Jeden Abend hat sie für uns Kinder stundenlang im Gebet vor Gott gerungen. Dass ich überhaupt ein Christ geworden bin, hat vermutlich sehr viel damit zu tun, dass meine Mutter Stunde um Stunde gebetet hat. Als ich dann viele Jahre später im Predigtdienst landete, habe ich dies oft als große Unterstützung erlebt. Kurz bevor es auf die Kanzel ging, kam eine kurze SMS von ihr. “Martin, ich bete!“

1. Leiden lehrt beten
Was mich an dem Thema lange Zeit fasziniert hat, war, dass durch Gebet Dinge möglich werden, die im Natürlichen nicht möglich sind. Damit meine ich Wunder. Kleine Wunder wie das Finden eines Parkplatzes im Kölner Straßenjungel. Oder große Wunder, wenn es um die körperliche Heilung eines unheilbar kranken Freundes ging.

Immer wenn es Probleme in meinem Leben gab, habe ich angefangen leidenschaftlich zu beten. Jemand sagte mal: “Leiden lehrt beten" und ich denke das stimmt. So kann ich mich an die erste Zeit als Christ erinnern, in der viele meiner Probleme durch Gebet gelöst wurden. Zum Beispiel kommt mir eine Geschichte in den Sinn, welche circa zwei Jahre nach dem ich zum Glauben kam, passiert ist. Damals hatte ich eine Abiturprüfung in Biologie verhauen. Ich betete für ein Wunder und tatsächlich bewertete meine ansonsten sehr strenge Biologie Leistungskurs Lehrerin eine falsche Antwort als „fast richtig“. Ich wurde mit 12 Punkte benotet.

Viele Jahre später bekam ich von Gott einen Traum aufs Herz gelegt: Eine neue christliche Arbeit mit jungen Menschen zu starten, die sich in keiner bestehenden Kirche wohl fühlen. Bis zur Erfüllung dieses Traumes musste ich bestimmt über zwei Jahre Gott damit in den Ohren liegen. Heute ist die daraus entstandene Arbeit fast schon Geschichte. Doch auch hier galt: Die so genannten „Jesus-Freaks“ trafen sich anfangs nur aus einem Grund: Um zu beten. Denn den meisten ging es sehr schlecht und sie brauchten ein Wunder in ihrem Leben, oder eben eine Begegnung mit Gott.

2. Frusterfahrung
Über die Zeit hinweg gesehen gab es auch eine Menge Frust-Erfahrung. Viele Gebete, die einfach nicht erhört wurden. Und das, obwohl auch nach reiflicher Überlegung und biblischer Überprüfung wirklich nichts dagegen gesprochen hätten. Ich hatte geglaubt, bekannt, nach allen Richtlinien gebetet und doch ist nichts passiert. Manchmal passierte sogar genau das Gegenteil und allein die Antwort „In der Ewigkeit wirst du verstehen warum“, reicht mir einfach nicht.

Fast wellenförmig gab es Zeiten in denen ich große Nähe und Gottes Gegenwart beim Beten gespürt habe und dann wieder Phasen in denen mir die Decke als absolute Begrenzung zwischen Erde und Himmel vorkam. „Gott, wo bist Du?“ Vieles ist geschehen, bei dem ich immer wieder die Frage stellen muss „Warum Jesus hast du das zugelassen?“. Denn um Schutz oder Segen wurde gebetet, vorher, nachher und während dessen. Lag es wirklich nur an irgend einer versteckten Sünde, an fehlendem Glauben oder doch an einer falschen „Gebetsstrategie“? Ich kann mir eigentlich auch keinen liebenden Vater als Gott vorstellen, der seine Kinder ungeschützt in die Katastrophe rennen lässt, nur weil sie mal nicht, zu wenig oder vielleicht sogar „falsch“ gebetet haben. Was wäre das für ein Gott?

3. Wobei geht es um Gebet?
Auch wenn viele Bücher über das Gebet genau das Gegenteil im Visier haben: Ich denke, dass Gebet nicht die Gebetserhöhung im Fokus haben sollte. Letztendlich kann es nur darum gehen: Ein allmächtiger Gott möchte, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf ihn richten. Gebet sollte Gott dienen und nicht den Menschen. Wenn dann für uns die berühmten „Brotkrumen vom Tisch fallen“, ist das natürlich super. Aber es kann nicht zentral darum gehen, dass Gott unsere Wünsche erfüllt, wenn wir beten.

Gebet ist Beziehungsgeschehen. Ich „kleines Mensch“ will mit dem großen Gott Zeit verbringen. Ich will mit ihm reden, mich vor ihm ausschütten und ihm vielleicht auch zuhören, wenn ich dazu in der Lage bin. Und da kann es auch mal Zeiten geben, in denen man sauer auf ihn ist, in denen man sogar gar nicht mehr mit einander reden mag. Auch wenn ich eine Menge vom liturgischen Gebet halte, kann ich darin nicht das Zentrum dessen sehen, was zumindest Jesus gemeint hat. Gottes Wunsch ist, dass wir mit ihm in Kontakt bleiben, auf einer natürlichen Basis. Eine gesunde Beziehung vergleichbar mit der eines guten Vaters zu seinem Kind oder wie ein Gespräch unter Freunden. Ohne Floskeln, Phrasen oder Worte, hinter denen unser Herz eigentlich gar nicht nicht steht.

4. Das „Parade Gebet“
Im Parade Gebet aller Christen, welches uns Jesus beigebracht hat, geht es um Dinge des Alltags. Das „Vater Unser“ handelt von der täglichen Versorgung, den ständigen Versuchungen und Kämpfe, mit denen jeder Christ zu tun hat. Es dreht sich um das tägliche begehen von Schuld und das Verletztwerden durch andere Menschen. Und auch um die damit verbundenen Herausforderungen zu verzeihen. Wie in jeder anderen Beziehung auch gibt es Phasen, in denen ich sehr viel mit Gott im Gespräch bin. Nahezu 24 Stunden am Tag. Und dann gibt es wieder eine Zeit, in der es stiller wird. Manchmal aus Enttäuschungen, aus Wut, aus Verletzung, oder auch verursacht durch Verwirrung und unbeantwortete Fragen und Zweifel. Oder eben, weil man sich gerade nicht so viel zu sagen hat.

Und dennoch glaube ich ganz fest, dass es etwas gibt was wir Gott immer wieder neu sagen können, so wie es die Schüler von Jesus auch getan haben: “Herr, lehre uns beten!" (Lukas 11,1)

Martin Dreyer, Berlin

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